- Waldenser und Katharer im Ketzerkrieg
- Waldenser und Katharer im KetzerkriegIm 12. Jahrhundert verfestigte sich durch die Arbeit der scholastischen Theologen die kirchliche Dogmatik. Dadurch wurde der Spielraum für abweichende Meinungen immer kleiner, sodass es Laien kaum mehr wagen konnten, inhaltliche Aussagen zu zentralen Fragen des Christentums zu machen, ohne der Häresie verdächtigt zu werden. Als nach 1160 der Kaufmann Petrus Waldes aus Lyon damit begann, ein Leben als Wanderprediger zu führen und apostolische Armut in der Nachfolge Christi zu predigen, geriet er - anders als ähnliche Laienprediger der Zeit um 1100 - schnell in den Verdacht der Ketzerei.Wegen seiner Kritik am ungeistlichen Leben der Kleriker und an der Lehrautorität der Kirche wurden Waldes und seine Anhänger in die Nähe einer anderen häretischen Bewe gung gebracht, die sich seit Mitte des 12. Jahrhunderts in Oberitalien und Südfrankreich ausbreitete, den Katharern (griechisch »katharos«, »rein«), von deren Namen sich das deutsche Wort »Ketzer« ableitet. Die Katharer verwarfen nicht nur die Sakramente und die Hierarchie der Kirche, sondern verbreiteten eine dualistische Weltanschauung (ständiger Kampf des Bösen gegen das Gute, Trennung in Vollkommene, »perfecti«, und Gläubige, »credentes«). Mit den Waldensern verband die Katharer jedoch die Ablehnung des Eides, der Todesstrafe, des Kriegsdienstes und des Kirchenzehnten. Während die Katharer vor allem unter der Landbevölkerung und dem Kleinadel des Languedoc Rückhalt fanden und daher nach dem dortigen Mittelpunkt Albi auch »Albigenser« genannt wurden, lagen die Schwerpunkte der waldensischen Bewegung im Tal der Rhône, in Oberitalien, Flandern und dem Rheintal, also in den wirtschaftlich am weitesten entwickelten Gebieten des damaligen Europas.Papst Innozenz III. ermahnte seit 1198 immer wieder die südfranzösischen Territorialherren, die im Bann befindlichen Ketzer auszuweisen und ihre Güter zu konfiszieren. Dabei war es vor allem Graf Raimund VI. von Toulouse, der sich den päpstlichen Forderungen entgegenstellte. Als der päpstliche Legat daraufhin den Grafen bannte, wurde er 1208 von einem Ministerialen Graf Raimunds ermordet. Dies nahm Innozenz III. zum Anlass, den Ketzerkrieg gegen Toulouse zu eröffnen. Obwohl Philipp II., der gerade mit König Johann Ohneland einen schweren militärischen Konflikt um die englischen Festlandsbesitzungen austrug, sich zurückhielt, fand ein förmlicher Kreuzzugsaufruf des Papstes gegen die Katharer im Norden Frankreichs starken Widerhall, sodass bald ein Kreuzfahrerheer unter Führung des Abtes von Cɪ ̂teaux in das Languedoc vordrang. Da Graf Raimund, um sein Land zu erhalten, zunächst selbst das Kreuz nahm, wandte sich der Kreuzzug gegen den Vizegrafen von Béziers und Carcassone.Eine neue Phase des Krieges begann, als das Kreuzfahrerheer von dem Normannen Simon von Montfort übernommen wurde, der sich selbst die Herrschaft über den Süden Frankreichs verschaffen wollte, indem er nun auch unmittelbar den Kampf gegen Graf Raimund eröffnete. Damit entwickelte sich der Ketzerkrieg zu einem reinen Machtkampf um die Herrschaft im Languedoc, der bald der Kontrolle des Papstes völlig entglitt. Zwar gelang es Simon vorübergehend, den Grafen aus seinem Land zu vertreiben, doch konnte er am Ende seine hoch gesteckten Ziele nicht verwirklichen. Erst ein weiterer Kreuzzug unter der Führung des französischen Königs Ludwig VIII. (1226) führte zur Unterwerfung des Südens unter die Herrschaft der Krone Frankreichs (1229).Im Zuge der Armutsbewegung der Dominikaner und Franziskaner begannen die Katharer an Bedeutung zu verlieren; kleine Gruppen hielten sich in Südfrankreich und Süditalien noch bis 1330 bzw. 1412. Die französischen Waldenser verschwanden im 14. Jahrhundert.
Universal-Lexikon. 2012.